Autorin: Selina Bednarek
Die Musikbranche reagiert besorgt: Im Widerspruch stehen das Urheberrecht, die künstlerische Freiheit sowie ethische Fragen. Die VALC beschäftigt sich in diesem Zusammenhang mit der Frage, wann Urheberrechtsverletzungen durch KI-generierte Werke vorliegen und wie mit diesen umzugehen ist.
„Das ist erst der Anfang“ schrieb der Ersteller des Fake-Duetts, „ghostwriter977“ in der Biografie seines TikTok-Kanals. Wer sich hinter diesem, mit Bettlaken und dunkler Sonnenbrille getarnten Pseudonym verbirgt, ist bis heute noch nicht geklärt, vermutet wird u.a. eine PR-Aktion als auch eine Beteiligung der vermeintlichen Künstler selbst. Doch warum die Aufregung? Der besagte Song enthält eine durch KI erzeugte, nahezu perfekte Imitation der Stimmen von Drake und The Weekend. Sowohl der Sound, der Text als auch die Stimmen sind nach Angaben des Schöpfers KI-generiert. Die Universal Music Group verurteilt den Song und spricht von „verletzenden Inhalten“. Ein Sprecher der Plattform YouTube rechtfertigte die Löschung des Musikvideos sowie aller Vervielfältigungen mit einem Verstoß gegen urheberrechtlich geschützte Inhalte.
Und da liegt der Knackpunkt: Man wird es künftig nicht umgehen können, sich damit zu beschäftigen inwieweit KI-Werke gegen das Urheberrecht verstoßen.
KI-Training im Zentrum der Urheberrechtsverletzung
Eine KI muss trainiert werden, bevor sie tätig werden kann. Hierzu dienen menschengemachte Werke, die sich in großen Datenbanken oder frei zugänglich im Internet befinden. Die KI filtert Fragmente aus den bestehenden Werken heraus und verknüpft sie miteinander. Aber auch bereits vorhandene KI-Outputs, an denen bisher kein eigenes Leistungsschutzrecht begründet werden kann, werden als Trainingsdaten verwendet und können urheberrechtlich durchaus relevant sein, sofern sie eine hohe Übereinstimmung mit den ursprünglichen Trainingsdaten aufweisen. Im gegenständlichen Beispiel sammelte die Künstliche Intelligenz Akkorde, Melodien, Beats oder Audioaufnahmen mit Textunterlegung und generierte diese zu einem neuen Werk.
Entscheidend für eine Urheberrechtsverletzung ist das generierte Werk selbst und vor allem die Ähnlichkeit zum Trainingsmaterial. Denn nur wenn die KI eine Arbeit generiert, die im Vergleich zum Original ein eigenständiges, neues Werk darstellt, liegt keine Urheberrechtsverletzung vor. Nach der Rechtsprechung und der sog. „Abstandslehre“ müssen die Züge des verwendeten Werkes verblassen und in den Hintergrund rücken (§5 Abs 3 UrhG). Es ist daher immer eine Einzelfallbetrachtung erforderlich.
Um auf den Anlassfall zurückzukommen: „Heart on My Sleeve“ wird bereits zu den sog. „Deepfakes“ gezählt. Dabei handelt es sich um Fotos, Videos, aber auch Audio-Aufnahmen, die durch den Einsatz von KI bewusst verändert werden und somit eine Manipulation von Medieninhalten darstellen. Nach ersten Einschätzungen handelt es sich bei dem Song jedoch um eine Neukomposition, die sich nicht direkt und offenkundig auf vorige Soundtracks von Drake oder The Weeknd bezieht und diese explizit kopiert. Durch die Verwendung der Stimmen besagter Künstler stellt der Song allerdings jedenfalls eine Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte dar. Diese dienen dem Schutz der menschlichen Persönlichkeit und lassen sich aus §16 ABGB ableiten. Neben den grundlegenden Rechten wie der körperlichen Unversehrtheit, der Freiheit oder dem Schutz der Privatsphäre zählen auch das Recht am eigenen Bild und an der eigenen Stimme dazu.
EU-Richtlinie regelt freie Nutzung
Mit der letzten Urheberrechts-Richtlinie ((EU) 2019/790) wurden Sonderregeln einer freien Werknutzung für Text und Data-Mining geschaffen. Dies betrifft auch das Training von KI mit fremden Daten. Ziel ist es, einen Interessensausgleich zwischen den Urheber:innen der Werke und den Nutzer:innen der KIs zu gewährleisten um gleichzeitig dem technischen Fortschritt nicht im Wege zu stehen. In Österreich wurde eben genannte Richtlinie mit der Urheberrechtsnovelle aus dem Jahr 2021 umgesetzt. § 42h Abs 6 UrhG sieht demnach vor, dass das Training einer KI auch mit urheberrechtlich geschützten Werken zulässig ist, allerdings unter der Voraussetzung, dass die Rechteinhaber:innen nicht ausdrücklich in maschinenlesbarer Form widersprochen haben. Anzumerken ist jedoch, dass § 42h UrhG erst am 1.Jänner 2022 in Kraft trat und eine rückwirkende Anwendung nicht vorgesehen ist. Nutzungen, die vor diesem Datum stattgefunden haben, sind daher nicht von der Schrankenregelung gedeckt und stellen somit eine Urheberrechtsverletzung dar. Wichtigste Voraussetzung für die Nutzung von Werken zum Zwecke des KI-Trainings ist daher ein rechtmäßiger Zugang zu eben jenen. Dies ist z.B. der Fall, wenn eine vertragliche Vereinbarung vorliegt, die Inhalte nicht durch technische Schutzmechanismen vor Vervielfältigung geschützt sind, der Nutzung nicht ausdrücklich widersprochen wurde, die Inhalte im Internet für jedermann frei zugänglich sind oder der/die Nutzer:in eine Lizenz erworben hat. Künstler:innen können sich, wie oben erwähnt, gemäß §42h Abs 6 UrhG ausdrücklich gegen die Verwertung ihrer Werke durch KI mit Hilfe eines Nutzungsvorbehalts schützen. Dieser muss in maschinenlesbarer Form (z.B. in den AGB, den Nutzungsbedingungen oder im Impressum) erklärt werden. Ob KI-Programme einen maschinell lesbaren Widerspruch in jedem Fall als solchen erkennen, ist allerdings umstritten und darf bezweifelt werden.
Forderung an Streaming-Plattformen
Die Universal Music Group, kurz UMG, hat nach dem jüngsten Vorfall vor allem Streaming-Plattformen in die Pflicht genommen und insbesondere Spotify und Apple Music zum Handeln aufgefordert. Durch die Untersagung eines freien Zugangs zu Musikwerken im Zusammenhang mit KI-Training, soll die Verwendung von Texten, Melodien und anderen Audio-Dateien unterbunden werden. Laut UMG müssten sich alle Beteiligten zukünftig entscheiden, „auf welcher Seite der Geschichte“ man im „Musik-Ökosystem“ stehen möchte: auf der Seite der „Künstler:innen, Fans und menschlicher, kreativer Arbeit“ oder auf der Seite von „Deep Fakes, Betrugs und des Vorenthaltens einer angemessenen Vergütung der Künstler:innen“.
Doch nicht nur die Musikbranche hat derzeit mit „Deepfakes“ und Urheberrechtsverletzungen durch KI-generierte Werke zu kämpfen, auch andere Kunstsparten reagieren besorgt auf die Verwendung von menschengemachten Werken zum Training von KIs.
Plagiat vs. Neuschaffung
Aber nicht nur in der Musikbranche sorgt KI für Aufruhr: „The next Rembrandt“, ist ein Programm, dass es sich innerhalb von 18 Monaten beigebracht hat, die Pinselstriche des Künstlers bis ins kleinste Detail zu studieren und neue Werke des niederländischen Meisters zu generieren, die eben jener nie geschaffen hat. Signaturen von menschlichen Künstler:innen, finden sich auf den KI-generierten „Neuschöpfungen“ wieder, weil sie beim Übertragungsakt nicht herausgefiltert wurden. Die Künstler:innen, deren Werke als Vorlagen verwendet werden, sind zumeist völlig ahnungslos darüber, dass ihre Arbeiten einer KI als „Anregung“ dienen und ihr beim Training zur Verfügung stehen. So verwundert es kaum, dass derzeit in den USA eine Sammelklage gegen Stability AI (Stable Diffusion), Midjourney und Deviant Art anhängig ist. Der Vorwurf lautet: die unrechtmäßige Verwendung urheberrechtlich geschützter Bilder. So wurden die von menschlichen Künstler:innen bezogenen Bilder ohne deren Zustimmung in die Programme integriert und verarbeitet. Dies ermöglichte es den angeführten KIs sogar Auftragsarbeiten im Stil bestimmter Künstler:innen auszuführen.
Die Webseite „Have I been trained” gibt Künstler:innen in diesem Zusammenhang die Möglichkeit herauszufinden, ob und wie oft eines ihrer Werke bereits als Grundlage einer Künstlichen Intelligenz gedient hat. Doch wie solche, durch Künstliche Intelligenz begangenen Urheberrechtsverletzungen in Zukunft für die betroffenen Künstler:innen transparenter und die Durchsetzung ihrer Rechte realisierbarer gemacht werden können, ist noch nicht abschließend geklärt. Das Sammelverfahren in den USA ist jedoch vor allem für den Anwalt Matthew Butterick (Klägerseite) ein erster Schritt, „um KI für alle fair und ethisch vertretbar zu machen“.
Nutzung trotz Widerspruch
Hat der/die Rechteinhaber:in der Nutzung seines/ihres Werkes ausdrücklich widersprochen und wurde das Werk dennoch für das Training einer KI herangezogen, liegt eine Urheberrechtsverletzung vor. Finden sich die urheberrechtlich geschützten Daten in erkennbarer Weise in dem neu geschaffenen Werk wieder, bestehen auch keine großen Beweisschwierigkeiten hinsichtlich der Verletzungshandlung. Schwieriger wird es jedoch, wenn das urheberrechtlich geschützte Material in einer Weise zur Geltung kommt, die nicht mehr auf das ursprüngliche Werk schließen lässt, denn insbesondere der Nachweis, dass eine Künstliche Intelligenz Zugriff auf ein geschütztes Werk hatte, ist äußerst schwierig, teilweise gar unmöglich.
Dass es rechtliche Konsequenzen geben muss, ist unstrittig und selbst der Ersteller des Fake-Duetts, „ghostwriter977“ rechnet mit rechtlichen Folgen seines Handelns. So äußerte er sich am Montag (10.04.2023) mit folgenden Worten auf TikTok: „Ich vibe zu Ghostwriter und Drake, bevor die Klage kommt“.
VALC-Fazit:
Selbst wenn Bilder, Fotografien, Gemälde oder Musik von den jeweiligen Urheber:innen im Internet veröffentlicht werden, sind sie weiterhin urheberrechtlich geschützt. Nach aktueller österreichischer Rechtslage ist die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke für das Training einer KI erlaubt, sofern der/die Rechteinhaber:in dem nicht ausdrücklich, in maschinenlesbarer Form widersprochen hat.
Quellen:
https://www.billboard.com/pro/drake-the-weeknd-fake-song-ai-generated-music-illegal/(zuletzt 02.05.2023)
https://bmi.gv.at/magazin/2022_07_08/10_Deepfakes.aspx#:~:text=Deepfakes%20werden%20als%20Überbegriff%20für,Lippenbewegungen%20imitiert%20oder%20übernommen%20werden(zuletzt 05.05.2023)
https://www.derstandard.at/story/2000142613730/midjourney-und-co-kuenstlerinnen-klagen-ki-firmen-wegen-urheberrechtsverletzung (zuletzt 04.05.2023)
https://www.derstandard.at/story/2000144311970/wer-ist-urheber-eines-ki-werkes (zuletzt 03.05.2023)
https://www.derstandard.at/story/2000145646049/fake-duett-zwischen-drake-und-weeknd-versetzt-musikbranche-in-aufruhr(zuletzt 29.04.2023)
https://www.digital-recht.at/blog/2-teil-scraping-crawling-data-mining---ist-das-rechtlich-zulassig-fokus-urheberrecht (zuletzt 30.05.2024)
https://www.dw.com/de/ki-ist-der-mensch-überflüssig/a-64526740 (zuletzt 30.05.2024)
https://haveibeentrained.com (zuletzt 30.05.2024)
https://www.faz.net/pro/d-economy/ki-generiert-fake-song-von-drake-und-the-weeknd-18829126.html (zuletzt 30.05.2024)
https://haveibeentrained.com (zuletzt 30.05.2024)
https://www.kwr.at/news/kuenstliche-intelligenz-ki-und-urheberrecht-wem-gehoert-was
https://futurezone.at/netzpolitik/ki-urheberrecht-interview-bilder-stable-diffusion-klage-recht/402297809 (zuletzt 05.05.2023)
https://medium.com/@DutchDigital/the-next-rembrandt-bringing-the-old-master-back-to-life-35dfb1653597 (zuletzt 30.05.2024)
https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblAuth/BGBLA_2021_I_244/BGBLA_2021_I_244.html(zuletzt 05.05.2023)
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